Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Dezember 2024
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Streitiges Recht
5 Ob 4/24k – Zur rechtmäßigen Vorschreibung von Akonti-Beträgen durch den Verwalter
Im Oktober 2016 ließen die Beklagten ihr Wohnungseigentumsobjekt einseitig von der zentralen Heizungsversorgung trennen und die vorhandenen Heizkörper demontieren. Die klagende Eigentümergemeinschaft begehrt von den Beklagten die Zahlung der ihnen für den Zeitraum Juni 2020 bis April 2023 vorgeschriebenen Heizkostenakonti.
Aufwendungen im Sinn des § 32 Abs 1 WEG sind alle liegenschafts- und verwaltungsbezogenen Auslagen, die der Eigentümergemeinschaft bei der Bewirtschaftung der Liegenschaft entstehen (vgl RS0069987 [T22]). Dem Verwalter kommt die Aufgabe zu, für ausreichende Vorauszahlungen auf die Bewirtschaftungskosten, somit für die Festsetzung, die Vorschreibung und das Inkasso der Beiträge Sorge zu tragen (RS0083581 [T7]). Solange die Mehrheit der Miteigentümer dem Verwalter keine (abweichende) bindende Weisung erteilt, sind die vom Verwalter vorgeschriebenen Beiträge für die Mit- und Wohnungseigentümer bindend (RS0083581).
Nach ständiger Rechtsprechung können Akontozahlungen selbst dann noch eingehoben werden, wenn die Aufwendungen, für die sie vorgeschrieben wurden, bereits abgerechnet sind, jedoch Streit darüber besteht, ob die Abrechnung ordnungsgemäß, vollständig oder richtig ist. Solange der Abrechnungssaldo nicht anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist, ist jeder einzelne Wohnungseigentümer verpflichtet, die im Rahmen der Liegenschaftsverwaltung vorgeschriebenen Akontozahlungen zu leisten (RS0112884).
Fragen der Rechtmäßigkeit oder Richtigkeit einer Vorschreibung können erst nach der Rechnungslegung in einem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 geklärt werden. Auch die Verpflichtung zur Legung einer inhaltlich richtigen Abrechnung ist dort durchzusetzen. Zum Prüfungsumfang gehört dabei auch die Frage, ob die in der Abrechnung enthaltenen Ausgaben überhaupt Aufwendungen für die Liegenschaft betreffen und damit auch, ob ein Aufwand von der Eigentümergemeinschaft oder vom einzelnen Wohnungseigentümer zu tragen ist (RS0116821 [T4]; 5 Ob 116/19y mwN). Ob überhaupt und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die den Beklagten vorgeschriebenen Akonto-Beiträge auch nicht liegenschaftsbezogene Ansprüche enthalten könnten, ist somit nicht im Streitverfahren über die Berechtigung der Vorschreibungen zu entscheiden, sondern der Prüfung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren vorbehalten (5 Ob 116/19y).
5 Ob 147/24i – Zur Präklusion des Mietzinsanhebungsrechts nach dem Tod des Mieters
Die Antragstellerin ist Alleineigentümerin einer Liegenschaft mit dem gegenständlichen Objekt Geschäftslokal G8 samt Lager im Kellergeschoß 1C. Die Mutter der Antragsgegnerin mietete dieses mit Vertrag vom 9. 4. 1984 an. Sie verstarb am 25. 6. 2018. Per E-Mail vom 9. 7. 2018 wurde der Vertreterin der Antragstellerin die Sterbeurkunde der damaligen Mieterin übermittelt. Mit Beschluss vom 19. 2. 2021 wurde die Verlassenschaft der Antragsgegnerin zur Gänze eingeantwortet. Mit Schreiben vom 31. 3. 202 machte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin die Mietzinsanhebung gestützt auf § 46a Abs 2 MRG wie dort konkret ausgeführt, geltend. Die Antragsgegnerin wendete insbesondere die Präklusion des Anhebungsbegehrens unter Hinweis auf die Todesanzeige vom 9. 7. 2018 ein.
Der Tod der Hauptmieterin löste grundsätzlich das Anhebungsrecht aus. Die analog anzuwendende Präklusivfrist des § 12a Abs 2 MRG beginnt aber an sich erst ab dem Zeitpunkt der Anhebungsmöglichkeit, somit im Fall des § 46a MRG erst mit Rechtskraft der Einantwortung. Daraus folgt, dass grundsätzlich die Mietzinsanhebung vom Vermieter dann innerhalb der analog anzuwendenden Präklusivfrist des § 12a Abs 2 MRG begehrt wird, wenn dies innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft der Einantwortung an den Universalrechtsnachfolger geschieht.
Bei Anzeige des Todes des bisherigen Hauptmieters bereits vor der Einantwortung, ist jedoch zu unterscheiden:
Ist die Anzeige so formuliert, dass sie – abgesehen vom Tod des bisherigen Hauptmieters – dem Vermieter keine Hinweise auf den potentiellen Rechtsnachfolger und dessen Absicht, das Unternehmen im Bestandobjekt fortzuführen, erkennen lässt, ist eine Verpflichtung der Vermieterin, ein bedingtes Anhebungsbegehren zu stellen, zu verneinen.
Anders ist die Rechtslage dann, wenn sich aus der Anzeige Hinweise auf einen derartigen Tatbestand und die Person des Universalrechtsnachfolgers sowie dessen Fortführungsabsicht ausreichend gesichert ableiten lassen. In einem solchen Fall wird die Vermieterin ein bedingtes Erhöhungsbegehren an den aus diesem Schreiben hervorgehenden potenziellen Universalsukzessor für den Fall zu stellen haben, dass er tatsächlich Rechtsnachfolger wird und das Unternehmen fortbetreibt. Besondere Nachforschungspflichten der Vermieterin in Bezug auf die Gesamtrechtsnachfolge sind zwar zu verneinen; sollte die Vermieterin allerdings im Weg einer solchen Anzeige – die nach der Rechtsprechung zu § 12a Abs 1 MRG zwar an keine bestimmte Form gebunden ist, deren Inhalt nach ihrem objektiven Erklärungswert (RS0014160) aber klar sein muss und die Feststellung der maßgeblichen Änderungen zuverlässig und eindeutig zu ermöglichen hat – verlässliche Kenntnis vom Sachverhalt und dem künftigen Rechtsübergang erlangt haben, ist eine Verpflichtung zu einem (bedingten) Erhöhungsbegehren zu bejahen, weil nur diese für den Unternehmer und (potentiellen) Rechtsnachfolger ausreichende Informationen gewährleistet, welchen (zukünftigen) Hauptmietzins er seiner wirtschaftlichen Kalkulation zugrunde zu legen hat, wenn der Vermieter von seinem Anhebungsrecht Gebrauch macht. Ein rechtlich geschütztes Interesse der Vermieterin, bei einem ihr vom (voraussichtlichen) Rechtsnachfolger vollständig angezeigten anspruchsrelevanten Sachverhalt noch die Rechtskraft der Einantwortung abzuwarten, ist demgegenüber nicht zu erkennen.
6 Ob 193/23k – Zur Zurückzahlung einer geleisteten Maklerprovision
Die Rechtsvorgängerin der beklagten Immobilienmaklerin vermittelte einem Verbraucher, einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag über eine Wohnung in Wien. Aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Provisionsvereinbarung bezahlte der Mieter am 8. 9. 2017 an die Beklagte die vereinbarte Vermittlungsprovision von zwei Bruttomonatsmieten in Höhe das Klagebetrags.
Die Beklagte war Alleingesellschafterin der damaligen Hausverwaltung, einer GmbH, die den Mietvertrag namens der Liegenschaftseigentümerin abschloss. Der Mieter wurde nicht schriftlich auf das Naheverhältnis bzw die gesellschaftlichen Verflechtungen zwischen der Hausverwaltung und der Beklagten hingewiesen.
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 2. 6. 2022 eingebrachten Klage die Rückzahlung der geleisteten Maklerprovision und brachte vor, die Rechtsvorgängerin der Beklagten hätte den Mieter auf das bestehende Naheverhältnis zur Hausverwaltung hinweisen müssen. Da der Hinweis unterblieben sei, bestehe kein Provisionsanspruch und die Zahlung sei rechtsgrundlos erfolgt, weshalb sie zurückgefordert werden könne. Der Anspruch sei nicht verjährt.
Gemäß § 6 Abs 4 MaklerG iVm § 30b KSchG hat der Makler keinen Provisionsanspruch, wenn er den Auftraggeber auf das wirtschaftliche Naheverhältnis zur Hausverwaltung (vgl dazu 3 Ob 294/03m; RS0114077 [T2]) und damit auf die mögliche Interessenkollision nicht (unverzüglich und schriftlich) hingewiesen hat (vgl 3 Ob 236/22k [ErwGr 1.]; 1 Ob 79/01a; RS0115498). Nach der Rechtsprechung können Provisionszahlungen bei einem Verstoß gegen § 6 Abs 4 MaklerG als rechtsgrundlose Zahlung einer Nichtschuld gemäß § 1431 ABGB zurückgefordert werden (3 Ob 236/22k [ErwGr 2.1.]; vgl 3 Ob 294/03m). Wenn der Auftraggeber die Provision trotz eines fehlenden Hinweises nach § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG irrtümlich rechtsgrundlos zahlt, gelangt für seinen Rückforderungsanspruch iSd § 1431 ABGB die dreijährige Verjährungsfrist des § 11 MaklerG unmittelbar zur Anwendung gelangt (3 Ob 236/22k = RS0134334).
Allgemein beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem das Recht nach objektiven Gesichtspunkten erstmals geltend gemacht werden kann, grundsätzlich also mit Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs (vgl RS0034343). Dementsprechend normiert auch § 11 MaklerG, dass die Verjährung ab Fälligkeit beginnt. Bei einem Bereicherungsanspruch nach § 1431 ABGB beginnt die Verjährungsfrist nach der Rechtsprechung grundsätzlich mit der rechtsgrundlosen Leistungserbringung (RS0020197; 3 Ob 236/22k [ErwGr 5.2.]; 8 Ob 145/19k), im vorliegenden Fall also mit der Zahlung der Provision durch den Mieter.
Soweit das Gesetz keine Ausnahmen macht, hat die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen des Anspruchs oder der Person des Verpflichteten keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährung (5 Ob 115/23g [ErwGr 2.]; RS0034337; RS0034343; RS0034445; RS0034248 [T7, T8, T9, T12]). Die im Regelfall irrelevante Unkenntnis des Anspruchsinhabers hindert den Beginn der Verjährungsfrist lediglich dann, wenn sie auf ein arglistiges Verhalten des Anspruchsgegners zurückzuführen ist (RS0034292). Daher tritt nach ständiger Rechtsprechung ganz grundsätzlich die Verjährung eines Rechts – außerhalb von an die Kenntnis anknüpfenden besonderen Verjährungsregeln wie insbesondere § 1489 ABGB – auch dann ein, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von diesem Recht hatte (9 ObA 113/18k [ErwGr 2.3.]; RS0034337). Eine solche Ausnahme sieht jedoch § 11 Satz 2 MaklerG vor: Nach dieser Bestimmung beginnt die Verjährung – im Sinn einer Fortlaufshemmung – erst mit Kenntnis des Maklers vom Zustandekommen des vermittelten Geschäfts, also des nach § 7 Abs 1 MaklerG anspruchsbegründenden Sachverhalts (vgl RS0127104). Dadurch soll der Makler, der vom Geschäftsabschluss nicht erfahren konnte, vor dem Verlust seines Provisionsanspruchs durch Verjährung geschützt werden. Aufgrund der gegenseitigen Interessenwahrungspflicht, speziell der Benachrichtigungspflicht gemäß § 3 Abs 3 MaklerG, muss der Auftraggeber den Makler vom Abschluss eines erfolgreich vermittelten Geschäfts informieren (3 Ob 236/22k [ErwGr 5.3.]; vgl RV 2 BlgNR 20. GP 23).
Der gegenseitigen Interessenwahrungspflicht dient aber auch die Hinweispflicht des § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG. Wie dem Makler vom Abschluss des erfolgreich vermittelten Geschäfts kommt auch dem Auftraggeber im Regelfall keine besondere Sachkenntnis über bestehende familiäre oder wirtschaftliche Naheverhältnisse des Maklers iSd § 6 Abs 4 MaklerG zu. Zugkräftige Gründe, weshalb der Makler vor dem Verlust seines Provisionsanspruchs durch Verjährung geschützt wird, ein solcher Schutz dem Auftraggeber hinsichtlich eines wegen der Verletzung des § 6 Abs 4 MaklerG bestehenden Rückforderungsanspruchs jedoch nicht zukommen sollte, sind nicht erkennbar. Daher ist § 11 Satz 2 MaklerG über die Hemmung der Verjährung (des Verjährungsbeginns) gleichermaßen für den hier zu beurteilenden Rückforderungsanspruch des Auftraggebers analog anzuwenden (in diesem Sinne schon 3 Ob 236/22k [ErwGr 5.4.]; insoweit zustimmend auch Berger, Zur Verjährung der Rückforderung von Maklerprovisionen, ImmoZak 2023, 66).
Damit ist die Verjährung dieses Rückforderungsanspruchs des Auftraggebers solange gehemmt, als er vom anspruchsbegründenden Sachverhalt keine Kenntnis hatte.
7 Ob 102/24m – Zur Zulässigkeit und Höhe einer Konventionalstrafe im Falle einer vertragswidrigen Untervermietung
Eine Vertragsstrafe ist ein für einen definierten Anlassfall vereinbarter pauschalierter Schadenersatz. Sie soll einerseits den Schuldner zur korrekten Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlassen und andererseits dem vereinfachten Ausgleich der dem Gläubiger aus einer trotzdem erfolgten Vertragsverletzung erwachsenden Nachteile durch Pauschalierung seines Schadenersatzanspruchs dienen (RS0032072 [T7]; RS0032013 [T7]).
Die von den Streitteilen vereinbarte Konventionalstrafe zur Bestärkung der von der Beklagten vertraglich übernommenen Unterlassungsverpflichtung (konkret: einer tatsächlichen Untervermietung) war als zulässig zu beurteilen (6 Ob 172/17p Pkt 2.).
Die Konventionalstrafe gebührt grundsätzlich auch dann, wenn kein oder ein geringerer Schaden eingetreten ist (RS0032103). Das Verhältnis zwischen einem eingetretenen Schaden und der Strafhöhe kann im Rahmen des richterlichen Mäßigungsrechts nach § 1336 Abs 2 ABGB berücksichtigt werden (vgl etwa RS0032156 [T2]). Die Strafe kann aber nicht unter den eingetretenen Schaden herabgesetzt werden (RS0032156); es kann jedoch auch keiner Bestimmung entnommen werden, dass die Strafe auf die Höhe des wirklichen Schadens herabgesetzt werden muss (RS0032156 [T1]). Die Vertragsstrafe darf somit den Schaden übersteigen, ohne dass sie aus diesem Grund gekürzt werden darf; dieser – den Schaden übersteigende – Betrag hat funktionell die Aufgabe, das Ex-ante-Gläubigerinteresse auszugleichen (RS0032156 [T3]). Ist durch eine Vertragsverletzung – wie die Beklagte darlegt – (noch) kein realer – materieller oder immaterieller – Schaden eingetreten, so ist der Mäßigung einer Konventionalstrafe der im Zeitpunkt deren Vereinbarung bei einer Ex-ante-Betrachtung als möglich denkbare Schaden zugrunde zu legen (RS0112216). Wenn noch kein Schaden eingetreten ist, ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Konventionalstrafe auf den Zeitpunkt deren Vereinbarung und auf den damals als Folge einer allfälligen Vertragsverletzung möglichen Schaden zu beschränken (RS0112216 [T5]).
9 Ob 11/24v – Zur Kündigung wegen Eigenbedarf
Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 1 IslamG 2015. Sie ist die Vermieterin und die Beklagte die Mieterin einer Wohnung, die sich über den zweiten Stock (rund 119 m² Wohnfläche) und das Dachgeschoß (rund 93 m² Wohnfläche) eines Hauses erstreckt. Der Mietvertrag bindet die Kündigung durch die Vermieterin an das Vorliegen eines „im MRG angeführten“ Kündigungsgrundes.
Die Klägerin hatte noch nicht entschieden, was aus dem Dachgeschoß „gemacht werden soll“. Eine konkrete Planung gab es noch nicht. Das Dachgeschoß sollte „bestmöglich genutzt werden“. Mit gerichtlicher Teilkündigung vom 7. 6. 2021 kündigte die Klägerin den Mietvertrag der Beklagten über „das Dachgeschoß“ der Wohnung auf und begehrte die Übergabe des Dachgeschoßes geräumt von den Fahrnissen der Beklagten. Als den „im MRG angeführten“ Kündigungsgrund gab sie einen dringenden Eigenbedarf gemäß § 31 Abs 1 MRG an.
Die Teilkündigung durch den Vermieter setzt (ua) voraus, dass er einzelne Teile des Mietgegenstands für sich oder für Verwandte in gerader Linie dringend benötigt (§ 31 Abs 1 MRG). Der dringende Eigenbedarf ist im selben, strengen Sinn zu prüfen wie bei den Tatbeständen des § 30 Abs 2 Z 8 und Z 9 MRG (5 Ob 34/16k; Höllwerth in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht – MRG4 § 31 MRG Rz 5; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 31 MRG Rz 1). Bei einer juristischen Person kommt nur ein eigener dringender Bedarf zur Erfüllung ihrer Zwecke in Betracht (RS0067746; RS0068576). Bei der Beurteilung der Dringlichkeit des Eigenbedarfs ist ein strenger Maßstab anzulegen (RS0070482; zur Teilkündigung RS0069125). Erforderlich ist zumindest – auch nach dem „gemäßigteren“ Verständnis der Dringlichkeit bei der Wohnraummiete (RS0068227 [T18, T20]; RS0070482 [T24]; RS0070619 [T3, T4]) – ein wichtiges persönliches oder wirtschaftliches Bedürfnis des Aufkündigenden (oder seines Verwandten in gerader Linie), das nur durch die Benützung der aufgekündigten Räume befriedigt werden kann (RS0068227; RS0109791; RS0112714). Vage künftige Möglichkeiten begründen keinen dringenden Eigenbedarf (RS0070482 [T10]; RS0070619 [T1]). Der Kläger, der sich auf den Kündigungsgrund des dringenden Eigenbedarfs stützen will, sei es nach § 30 Abs 2 Z 8, 9 MRG oder nach § 31 Abs 1 MRG, hat demnach vorzubringen und zu beweisen, welcher konkrete Bedarf nach der Aufkündigung gedeckt werden soll, also von wem und zu welchem Zweck das Objekt nach der Aufkündigung genutzt werden soll. Nur anhand von Feststellungen zu diesen Themen kann geprüft werden, ob der erforderliche dringende Eigenbedarf besteht.
Es steht fest, dass die Klägerin in diesem Fall noch nicht entschieden hatte, was aus dem (aufgekündigten) Dachgeschoß „gemacht werden soll“, und dass es diesbezüglich noch keine konkrete Planung gab. Es stand nur fest, dass das Dachgeschoß nach der Vorstellung ihres Präsidenten „bestmöglich“ genutzt werden sollte. Die Klägerin wollte durch die Teilkündigung Raum gewinnen, wusste aber noch nicht, wer den Raum letztlich nutzen soll und zu welchem Zweck er genutzt werden soll. Solange aber die konkret beabsichtigte Nutzung nicht feststeht, besteht kein dringender Eigenbedarf zu einem bestimmten Zweck: Wer noch nicht einmal weiß, wie er den zusätzlichen Raum nutzen wird, kann schon begrifflich kein (aktuelles konkretes und damit) dringendes persönliches oder wirtschaftliches Bedürfnis an diesem Raum haben. Dies begründet nach der dargestellten Rechtsprechung keinen dringenden Eigenbedarf. Darüber hinaus boten das Vorbringen und die Feststellungen keine Hinweise dafür, dass die Klägerin ohne die Aufkündigung des Dachgeschoßes einer wie immer gearteten Existenzbedrohung ausgesetzt wäre. Der bloße Wunsch nach einem einzigen Standort begründet für sich allein keinen dringenden Bedarf, der nur durch die Benützung des Dachgeschoßes befriedigt werden könnte.
Außerstreitiges Recht
5 Ob 50/24z – Das gesetzliche Vorausvermächtnis des überlebenden Ehegatten erlischt bei Wiederverehelichung
Das gesetzliche Vorausvermächtnis gewährt dem überlebenden Ehegatten einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben oder den sonst durch das Vermächtnis Beschwerten, in der gemeinsamen Ehewohnung im inhaltlich gleichen Umfang, weiter zu wohnen (RS0012822 [T1]; RS0012824 [T3]). Das bisherige, gegen den Ehegatten zustehende Benützungsrecht des überlebenden Ehegatten setzt sich als Anspruch gegen den Erben (Vermächtnisschuldner) fort (RS0012824).
Das Recht des überlebenden Ehegatten zur Benützung der bisherigen Ehewohnung ist nach allgemeiner Auffassung bedarfsunabhängig (6 Ob 233/04i; Musger in KBB7 § 745 Rz 5 mwN) und setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass ein Recht in den Nachlass fällt, über das der verstorbene Ehegatte verfügen konnte (RS0030723). Es ist weder übertragbar noch vererblich und erlischt aufgrund seines persönlichen Charakters jedenfalls mit dem Tod des Berechtigten (6 Ob 233/04 mwN; Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB5 [2018] § 745 ABGB Rz 21; Welser in Rummel, ABGB4 § 758 Rz 16).
Das Vorausvermächtnis bezweckt, dem überlebenden Ehegatten seine bisherigen Lebensverhältnisse zu erhalten und zu sichern, solange er die Wohnung persönlich beansprucht (JAB 1158 BlgNR 17. GP 4) und nicht verzichtet (Musger in KBB7 § 745 ABGB Rz 6). Der Tod eines der Ehegatten soll nicht dazu führen, dass der andere die ihm vertrauten Dinge des Alltags verliert. Das bisher gegenüber dem Ehegatten zustehende Benützungsrecht (§ 97 ABGB) setzt sich als Anspruch gegen den Vermächtnisschuldner fort (RS0012824; 1 Ob 2364/96w). Bereits zu 1 Ob 25/06t wurde daher festgehalten, dass der „gesetzliche Voraus“ dem im Familienrecht begründeten Wohnrecht vergleichbar sei, womit ihm Unterhalts- und Pflichtteilscharakter zukomme.
Mit der Wiederverehelichung des überlebenden Ehepartners ändert sich das Umfeld in sozialer und familienrechtlicher Hinsicht jedoch in einem Ausmaß, dass die ursprüngliche, durch den Tod aufgelöste Gemeinschaft in den Hintergrund rückt. Der Schutz der bisherigen Lebensverhältnisse, wie ihn das Vorausvermächtnis bezweckt, ist damit nicht mehr erforderlich. Es ist daher davon auszugehen, dass der wiederverheiratete Berechtigte in seinem Interesse auf Erhaltung der bisher gewohnten Umgebung zu Lasten der Erben nicht mehr schützenswert ist (Hopf/Kathrein, Eherecht3 § 758 ABGB Rz 6). Für das Recht auf Unterhalt des Ehepartners normierte bereits § 796 ABGB aF (wie nunmehr § 747 ABGB) durch den Verweis auf § 94 ABGB einen Anspruch wie bei bestehender Ehe, der erlischt, wenn der überlebende Teil wieder eine Ehe eingeht. Die mit § 747 ABGB inhaltlich unverändert übernommene Bestimmung stellt damit auf die zu Lebzeiten beider Ehepartner bestehende konkrete Situation ab und berücksichtigt die durch die Wiederverehelichung eingetretene Änderung der Umstände. Ausgehend von der Überlegung, dass sowohl das Vorausvermächtnis nach § 758 aF ABGB (nunmehr § 747 ABGB) als auch die Regelung über den Unterhalt des überlebenden Ehepartners den Zweck verfolgen, nach dem Ableben eines der Partner dem anderen die gewohnten Lebensverhältnisse zu sichern, ist kein Grund ersichtlich, dass die durch die Wiederverehelichung des überlebenden Ehegatten eingetreten Änderung der Umstände verschieden behandelt wird. Beide Bestimmungen geben dem überlebenden Ehepartner Ansprüche, die auf dem Familienrecht beruhen, und verfolgen vergleichbare Zwecke, sodass es zu einem Wertungswiderspruch führen würde, wollte man die Wiederverehelichung des Berechtigten im Anwendungsbereich des § 758 aF ABGB (nunmehr § 745 ABGB) unberücksichtigt lassen, obwohl das Gesetz in einem solchen Fall ausdrücklich das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs anordnet. Das gesetzliche Vorausvermächtnis setzt das gegen den verstorbenen Ehegatten zu Lebzeiten zugestandene Benützungsrecht fort (RS0012824) und leitet sich daher wie der Unterhaltsanspruch vom verstorbenen Ehepartner ab. Ihm kommt ebenfalls Unterhaltscharakter zu (1 Ob 25/06t), sodass eine Rechtslücke im Sinn des § 7 ABGB vorliegt, die eine Analogie rechtfertigt.
5 Ob 78/24t – Die Mietzinsanhebung vom Vermieter erfolgt dann innerhalb der analog anzuwendenden Präklusivfrist des § 12a Abs 2 MRG, wenn dies innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft der Einantwortung geschieht oder (zuvor) ab dem Zeitpunkt ab dem die Person des Universalrechtsnachfolgers sowie dessen Fortführungsabsicht ausreichend gesichert bekannt ist
Der Antragsgegner informierte den Vermieter des Geschäftslokals am 7.1.2022 davon, dass sein Vater am 23.12.2021 verstorben sei. Mit Einantwortungsbeschluss vom 16. 8. 2022 wurde dem Antragsgegner die Verlassenschaft nach seinem Vater zur Gänze eingeantwortet. Am 23. 12. 2022 übersandte die Antragstellerin dem Antragsgegner ein Mietzinsanhebungsschreiben, das dem Antragsgegner zeitnah zukam. Der Antragsgegner wendete ein, das Anhebungsbegehren sei präkludiert, weil er die Antragstellerin bereits mit E-Mail vom 7. 1. 2022 vom Tod des Hauptmieters informiert habe.
Der die Rechtsfolge des § 46a Abs 2 MRG auslösende Tatbestand verwirklicht sich mit dem Tod des bisherigen Hauptmieters. Die Anhebungsmöglichkeit des § 46a Abs 2 MRG hängt aber (auch) typischerweise davon ab, dass ein Universalrechtsnachfolger das Unternehmen des verstorbenen Hauptmieters im Bestandobjekt weiterführt. Sowohl die Frage nach der Universalrechtsnachfolge als auch nach der Weiterführung des Unternehmens im Bestandobjekt sind aber zum Zeitpunkt des Todes des bisherigen Hauptmieters oftmals nicht geklärt.
Daraus folgt, dass grundsätzlich die Mietzinsanhebung vom Vermieter dann innerhalb der analog anzuwendenden Präklusivfrist des § 12a Abs 2 MRG begehrt wird, wenn dies innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft der Einantwortung an den Universalrechtsnachfolger geschieht.
Anders ist die Rechtslage dann, wenn sich aus der Anzeige Hinweise auf einen derartigen Tatbestand und die Person des Universalrechtsnachfolgers sowie dessen Fortführungsabsicht ausreichend gesichert ableiten lassen. In einem solchen Fall wird die Vermieterin ein bedingtes Erhöhungsbegehren an den aus diesem Schreiben hervorgehenden potenziellen Universalsukzessor für den Fall zu stellen haben, dass er tatsächlich Rechtsnachfolger wird und das Unternehmen fortbetreiben will. Besondere Nachforschungspflichten der Vermieterin in Bezug auf die Gesamtrechtsnachfolge sind zwar zu verneinen; sollte die Vermieterin allerdings im Weg einer solchen Anzeige – die nach der Rechtsprechung zu § 12a Abs 1 MRG zwar an keine bestimmte Form gebunden ist, deren Inhalt nach ihrem objektiven Erklärungswert (RS0014160) aber klar sein muss und die die Feststellung der maßgeblichen Änderungen zuverlässig und eindeutig ermöglicht – verlässliche Kenntnis vom Sachverhalt und dem künftigen Rechtsübergang erlangt haben, wird von einer derartigen Verpflichtung zu einem bedingten Erhöhungsbegehren auszugehen sein. Nur dadurch sind für den Unternehmer und (potentiellen) Rechtsnachfolger Informationen gewährleistet, welchen (zukünftigen) Hauptmietzins er seiner wirtschaftlichen Kalkulation zugrunde zu legen hat, wenn der Vermieter von seinem Anhebungsrecht Gebrauch macht.
5 Ob 139/24p – Zur Geltendmachung unwirksamer Mietzinsvereinbarungen
Gemäß § 16 Abs 8 MRG sind Mietzinsvereinbarungen insoweit unwirksam, als der vereinbarte Hauptmietzins den nach Abs 1 bis 7 zulässigen Höchstbetrag überschreitet. Die Unwirksamkeit ist binnen drei Jahren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39 MRG) geltend zu machen. Bei befristeten Hauptmietverhältnissen (§ 29 Abs 1 Z 3 MRG) endet diese Frist frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis; die Verjährungsfrist beträgt in diesem Fall zehn Jahre.
Der Zweck dieser Regelung liegt darin, dem Wohnungsmieter für die gesamte Dauer des befristeten Vertrags Rückforderungsansprüche zu wahren. Sie änderte allerdings nichts daran, dass nach der ständigen Rechtsprechung (RS0119647) die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG auch im Fall des Aneinanderreihens befristeter Mietverträge solange nicht abläuft, als nicht sechs Monate nach der zusammengerechnet vereinbarten Befristungszeit abgelaufen sind oder aber ein unbefristetes Mietverhältnis abgeschlossen wird.
Dr. Iris Mutz
Wien/Klagenfurt, Dezember 2024
WMWP Rechtsanwälte GmbH