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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Februar 2025

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht

Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

Streitiges Recht

2 Ob 179/24y – Mietzinsminderung wegen Umsatzrückgang?

Ein Umsatzrückgang reicht als solcher im Allgemeinen für sich allein nicht aus, um eine Mietzinsminderung zu begründen. Eine solche wäre nur gerechtfertigt, wenn der Rückgang des Geschäftserfolgs auf einer Verletzung vertraglicher Verpflichtungen des Bestandgebers oder zumindest auf einer nach der Wertung der §§ 1104 f ABGB dem Bestandgeber zuzurechnenden Einschränkung der Benützbarkeit des Bestandgegenstands beruht und konkrete Folge einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs des Bestandobjekts ist. Hingegen sind Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters, die eine unmittelbare Folge der COVID-19-Pandemie sind und die sämtliche Unternehmer wie (auch) den Mieter des Geschäftslokals, insbesondere dessen gesamte Branche, allgemein und insgesamt treffen, dem Unternehmerrisiko zuzuordnen und daher für den zu zahlenden Mietzins nicht relevant. Solche Auswirkungen der Pandemie sind keine Gebrauchsbeeinträchtigungen des vom Vermieter vereinbarungsgemäß zur Verfügung zu stellenden Objekts (4 Ob 143/23t Rz 44 f mwN). Ohne Bedeutung ist damit etwa der Umstand, dass Touristen pandemiebedingt ausbleiben oder Menschen generell infolge der gesundheitlichen Risiken in einer Pandemie belebte Orte zum Einkaufen meiden (9 Ob 84/21z Rz 18). Hingegen können Umsatzrückgänge zu einer Mietzinsminderung führen, wenn sie Ausdruck – also unmittelbare Folge – der etwa wegen behördlicher Maßnahmen eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des konkreten Geschäftslokals sind (10 Ob 46/22w Rz 21; 5 Ob 192/22d Rz 17). Die Beweispflicht für die mangelnde Brauchbarkeit des Bestandobjekts, die eine Zinsminderung rechtfertigt, trifft den Bestandnehmer. Damit obliegt dem Mieter der Beweis, dass der Geschäftsrückgang konkrete Folge einer durch behördliche Maßnahmen herbeigeführten objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs des Bestandobjekts war (5 Ob 192/22d Rz 17 mwN).

3 Ob 204/24g – Ein Mietverhältnis kann auch ohne Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung (Mietvertrag) zustande kommen

Ein Mietvertrag kommt als Konsensualvertrag durch die Willenseinigung über den Bestandgegenstand und den Bestandzins zustande. Alle übrigen Vertragsbestimmungen sind dann entweder aus dem Parteiwillen zu erschließen oder – falls sich auf diese Weise kein Ergebnis erzielen lässt – den dispositiven Normen des Gesetzes zu entnehmen (RS0020394).

Bei Dauerschuldverhältnissen kann ein Verhalten durch lange Zeit Schlüsse auf einen besonderen Willen erlauben (vgl RS0082191 [T3])

Die Klägerin hatte ihre Zustimmung zur weiteren Nutzung des Bestandsobjekts durch den Beklagten erklärt und der Beklagten beginnend mit September 2017 bis einschließlich Dezember 2021 monatlich Miete und Betriebskosten vorgeschrieben, die von der Beklagten auch bezahlt wurden. Dadurch war der Mietvertrag zustande gekommen.

10 Ob 54/24 z – Zur Rückforderung von Mietzinsbestandteilen (Betriebskosten und Wertsicherung) aufgrund des Verstoßes gegen das KSchG

Gemäß § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung gegenüber einem Konsumenten unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist.

Unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen zu verstanden, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nur dann nicht vor, wenn Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt worden sind (RS0123499 [T2]).

Die (einseitige) Formulierung einer Klausel ohne diesbezügliche Verhandlungen bedeutet gerade nicht, dass diese im Einzelnen ausgehandelt wurde (vgl RS0121396). Nach herrschender Rechtsprechung reicht es für ein solches Aushandeln auch nicht aus, dass die Klausel zwischen den Vertragsteilen bloß erörtert und dem Verbraucher bewusst gemacht worden ist (RS0121396 [T1]). Der Unternehmer muss vielmehr zu einer Änderung des von ihm verwendeten Textes erkennbar bereit gewesen sein (RS0121396 [T2]).

Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (RS0122169). Das Transparenzgebot soll eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sicherstellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (RS0115217 [T3, T41]) oder ihm unberechtigt Pflichten auferlegt werden (RS0115217 [T8]). Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen also so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]). Einzelwirkungen des Transparenzgebots sind insbesondere das Gebot der Erkennbarkeit und Verständlichkeit, das Gebot, den anderen Vertragsteil auf bestimmte Rechtsfolgen hinzuweisen, das Bestimmtheitsgebot, das Gebot der Differenzierung, das Richtigkeitsgebot und das Gebot der Vollständigkeit (RS0115219 [T12]; RS0115217 [T12]).

Im Teilanwendungsbereich des MRG sind – wenn nach § 1099 ABGB an sich vom Vermieter zu tragende Kosten auf den Mieter überwälzt werden, dann als intransparent zu bewerten, wenn diese überwälzten Kosten (bloß) beispielsweise aufgezählt werden und gleichzeitig darauf verwiesen wird, dass die in der Aufzählung genannten Kostenkategorien nicht ausschließlich sind (4 Ob 106/21y Rz 16; 2 Ob 215/10x ErwGr 5.4; 6 Ob 81/09v ErwGr 2.2.; 7 Ob 78/06f [zu Klausel 8]; zu „Bewirtschaftungskosten“ vgl auch 2 Ob 36/23t Rz 7). In diesem Sinne sind auch Vereinbarungen intransparent, wenn der Mieter im Unklaren darüber gelassen wird, was als Bewirtschaftungskosten zu verstehen ist und welche Kostenbelastung letztlich für ihn daraus resultiert.

Eine Wertsicherungsvereinbarung, die eine Veränderung der bei Vertragsschluss vereinbarten, also im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen subjektiven Äquivalenz der Leistungen verhindern soll, ist hingegen sachlich gerechtfertigt und nicht gröblich benachteiligend. Ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG – nach der dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung zu erbringende Leistung ein höheres als das ursprünglich bestimmte Entgelt zusteht – ist zu verneinen, wenn die Möglichkeit einer Entgelterhöhung erstmals nach Ablauf von einem Jahr seit Mietbeginn vereinbart wurde.

 

Außerstreitiges Recht

5 Ob 74/24d – Unwirksame Mietzinsvereinbarungen

Nach § 16 Abs 8 Satz 1 MRG sind Mietzinsvereinbarungen unwirksam, soweit sie den nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG zulässigen Höchstbetrag überschreiten. Diese Unwirksamkeit muss nach Satz 2 bei unbefristeten Mietverträgen binnen einer Frist von drei Jahren geltend gemacht werden.

Ergibt sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ein höherer Hauptmietzins als nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG zu diesem Zeitpunkt zulässig ist, so ist der übersteigende Teil unwirksam (§ 16 Abs 9 Satz 1 MRG). Damit wird die Auswirkung einer Wertsicherungsvereinbarung dahin begrenzt, dass die jeweils zulässige Obergrenze des Hauptmietzinses dadurch nicht überschritten werden darf. Dabei darf der höchst zulässige Mietzins im Zeitpunkt des Erhöhungsbegehrens (konkret: zu dem Zinstermin, zu dem das Erhöhungsbegehren wirksam werden soll) nicht überschritten werden (5 Ob 7/01t mwN).

Nach § 16 Abs 9 letzter Satz MRG gilt auch in diesem Fall die dreijährige Frist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG (5 Ob 131/14x). Der durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung sich ergebende Betrag ist in dem Maß unwirksam, in dem ein höherer als der nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG zulässige Mietzins gefordert wird. Damit kommt es für die Zulässigkeit der Mietzinserhöhung auf den Zinstermin an, zu dem das Erhöhungsbegehren nach dem zweiten Satz des § 16 Abs 9 MRG wirksam wird (5 Ob 210/07d; 5 Ob 101/03v; RS0069701); dieser Zeitpunkt setzt daher auch die dreijährige Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG iVm § 16 Abs 9 letzter Satz MRG in Gang (5 Ob 210/07d).

Die Möglichkeit nach § 16 Abs 9 Satz 1 MRG, eine Erhöhung des Mietzinses aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung selbständig zu überprüfen, besteht nach der Rechtsprechung des Fachsenats unabhängig davon, ob die dreijährige Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG für die Überprüfung des Hauptmietzinses bereits abgelaufen ist (5 Ob 131/14x; 5 Ob 210/07d; 5 Ob 101/03v; RS0117892; RS0070096 [T6]); sie besteht also selbst dann, wenn der vereinbarte Hauptmietzins (ohne Wertsicherung) nicht (mehr) überprüfbar wäre (5 Ob 7/01t).

Es ist dann zwar die Teilunwirksamkeit der ursprünglichen Hauptmietzinsvereinbarung saniert; die zulässige Grenze für Mietzinserhöhungen infolge Wertsicherung ist aber nach wie vor nach jener Rechtslage zu beurteilen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Zinsvereinbarung galt (Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 121).

Das Rekursgericht hat dem Umstand, dass die für einen Lagezuschlag maßgebenden Umstände der Antragstellerin entgegen § 16 Abs 4 MRG nicht bekanntgegeben worden sind, zu Recht Relevanz beigemessen und den möglichen Lagezuschlag bei der Bestimmung des zulässigen Hauptmietzinses nicht berücksichtigt. Dieser Ausschlussgrund für die Berechtigung eines Lagezuschlags ist nicht dadurch geheilt, dass die Antragstellerin nicht schon die zugrundeliegende Mietzinsvereinbarung innerhalb der Frist des § 16 Abs 8 MRG angefochten hat.

5 Ob 134/24b – streitiger oder außerstreitiger Rechtsweg im Zusammenhang mit der Überprüfung der Höhe des zulässigen Hauptmietzinses?

Die Vorschaltung der Schlichtungsstellen vor Befassung der Gerichte in außerstreitigen Mietrechtssachen gemäß § 39 MRG ist eine zwingende Verfahrensvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren bei sonstiger Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs (RS0070782).

Gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG ist über die Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden. Mit „Angemessenheit des Hauptmietzinses“ ist dessen Zulässigkeit gemeint (RS0118030). Es geht daher um die Feststellung, ob der vereinbarte oder begehrte Hauptmietzins den gesetzlichen Zinsbildungsvorschriften entspricht. Welcher Hauptmietzins vereinbarungsgemäß zu zahlen ist, wäre im streitigen Rechtsweg zu entscheiden (5 Ob 156/08i), doch kann der Außerstreitrichter vor die Aufgabe gestellt sein, bei der Feststellung des gesetzeskonformen Hauptmietzinses als Vorfrage auch das wirksame Zustandekommen oder den Inhalt einer Mietzinsvereinbarung zu überprüfen (RS0069532). Andere Fragen, von deren Beantwortung die Feststellung die Höhe des Hauptmietzinses abhängt, etwa die Erfüllung der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen oder Weiterbestehen einer gültigen Vereinbarung, sind hingegen im streitigen Rechtsweg zu klären (RS0070552).

Vor allem bei Anträgen auf Überprüfung der Zulässigkeit eines Hauptmietzinses kommt es daher entscheidend auf das konkret gestellte Begehren an. So kann bei gleichem Sachverhalt je nach dem Wortlaut des Begehrens die Sache dem streitigen Rechtsweg oder dem außerstreitigen Verfahren zuzuordnen sein (5 Ob 156/08i; vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 37 MRG Rz 20 ; Kulhanek in GeKo Wohnrecht I § 37 MRG Rz 57 ff).

5 Ob 142/24d – Zu den Treue- und Handlungspflichten des Wohnungseigentümers

Treuepflichten der Wohnungseigentümer sind in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt (RS0013395 [T7]). Treuepflichtverletzungen wurden etwa angenommen, wenn eine – aufgrund von Verstößen gegen zwingende Bestimmungen des WEG – nichtige Wohnungseigentumsbegründung zu sanieren war (vgl 7 Ob 4/16p), entscheidungserheblich waren Treuepflichten in der Rechtsprechung auch im Zusammenhang mit der Zustimmung zu bestimmten Vereinbarungen (vgl die Judikaturübersicht bei Scharmer/Knoll, IWD – Treuepflichten im Wohnungseigentum – ausgewählte Fragen, wobl 2021, 9 [10]).

Von den Mitgliedern einer Eigentümergemeinschaft wird verlangt, dass sie Gemeinschaftsinteressen wahrnehmen und aktiv um die Abwehr von Schäden für die Gemeinschaften bemüht sind (5 Ob 82/03z [Zustimmungspflicht zur Annahme einer schenkungsweisen Grundabtretung zur Verhinderung des sonst notwendigen Gebäudeabrisses bejaht]). Drohen hingegen keine massiven negativen Konsequenzen aus einer Verweigerung, liegt weder eine Treuepflichtverletzung noch ein Verstoß gegen das Schikaneverbot vor (6 Ob 211/17y [Zustimmungspflicht zu einer Servitutsvereinbarung mit Eigentümern der Nachbarliegenschaft verneint]; 5 Ob 134/18v [Zustimmungspflicht zu einer Vereinbarung zur Ausweisung von Zubehörwohnungseigentum und zur Berichtigung von Fehlbezeichnungen von Stellplätzen verneint]). Die Schwelle für eine aus der Treuepflicht erfließende aktive Handlungspflicht ist nach dieser Rechtsprechung daher auch im Bereich des Wohnungseigentumsrechts, wo eine gegenüber der schlichten Miteigentumsgemeinschaft intensivierte Treuepflicht besteht (RS0013395 [T5, T9]), sehr hoch anzusetzen. Insbesondere darf das Tätigwerden für den betroffenen Teilhaber nur mit geringem Aufwand und geringem Nachteil verbunden sein (6 Ob 211/17y; 5 Ob 134/18v). Der Fachsenat stellte in dem Zusammenhang darauf ab, ob die Verweigerungshaltung nur mit Schikane erklärt werden kann (5 Ob 82/03z; 5 Ob 134/18v).

Massive negative Konsequenzen einer unterlassenen Klageführung waren in diesem Fall aus dem festgestellten Sachverhalt tatsächlich nicht abzuleiten. Die Antragsgegnerin wollte durch eine Klageführung gegen die Nachbarn das gute nachbarschaftliche Verhältnis zu diesen nicht beeinträchtigen, um sich nicht um das ihr persönlich eingeräumte Gehrecht über den Servitutsweg zu bringen. Dass es der Antragsgegnerin darum gehen würde, dem Antragsteller durch die Verweigerung der Zustimmung zur Klageführung zu schaden, ist daraus gerade nicht ableitbar. Auch war in diesem Fall nicht zu erkennen, dass die möglichen Nachteile für die Antragsgegnerin durch eine Klageführung so gering wären, dass die Verweigerung nur noch mit Schikane erklärt werden könnte (6 Ob 211/17y; 5 Ob 134/18v).

 

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, Februar 2025

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