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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Juni 2024

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


Streitiges Recht

4 Ob 128/23m – BTVG: Zurückbehaltungsrecht einer Rate aus dem Kaufpreis

Die Erwerberin hatte die vorletzte Rate des Kaufpreises aus einem Anwartschaftsvertrag im Zusammenhang mit dem Erwerb einer zu errichtenden Wohnung samt KFZ-Stellplatz aufgrund bestehender Mängel nicht zur Gänze entrichtet. Die letzte Rate wurde hingegen von der Erwerberin bezahlt. Die klagende Bauträgerin begehrte die Bezahlung des zurückbehaltenen Betrages.

Im Bereich des BTVG kann der Erwerber bei Anwendung der „Ratenplanmethode“ (§ 10 BTVG) bei Vorliegen ins Gewicht fallender Mängel unter Berufung auf § 1052 ABGB jedenfalls die – abgesehen vom Haftrücklass – (bei vollständiger Fertigstellung fällige) letzte Rate bis zu deren Behebung „zurückbehalten“ (insoweit etwas verkürzend der RS0129938) (1 Ob 121/14x).

Die Zahlung entsprechend einem Ratenplan ist zwar an das Zug-um-Zug-Prinzip angelehnt, aber dennoch stehen die einzelnen Leistungen nicht in funktionellem Synallagma zu den Raten (Friedl in Illedits [Hrsg], Wohnrecht4 § 10 BTVG Rz 2 mwN). Das Berufungsgericht hat daher zutreffend das grundsätzliche Zurückbehaltungsrecht des Beklagten (§ 1052 ABGB) bejaht.

Dem Argument, die Mängelbeseitigung würde ohnedies im Haftrücklass Deckung finden, ist entgegenzuhalten, dass mit dem Haftrücklass in erster Linie eine Deckung für zunächst verborgene Mängel geschaffen und ein Hinausschieben der Endabrechnung im Hinblick auf allenfalls noch vorhandene, aber zunächst nicht erkennbare Mängel verhindert werden soll. Damit wird aber nicht automatisch auf das darüber hinausgehende Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers mangels Fälligkeit des Werklohns wegen Unterlassung einer Verbesserung des mangelhaften Werks verzichtet (RS0018128; 8 Ob 628/90 = RS0020059).

Vorliegend hielt der Beklagte EUR 13.926,00 zurück. Die gesamten Mängelbehebungskosten belaufen sich auf EUR 17.963,80; jene, die bloß sein Wohnungseigentumsobjekt betreffen, betragen EUR 2.442,00. Der Beklagte hielt somit einen Betrag zurück, der unter jenem des gesamten Verbesserungsaufwands liegt. Auch wenn die Klägerin einzelne Behebungsschritte, etwa über EUR 70,00, hervorhebt, ändert das nichts daran, dass hier das Verhältnis zwischen Zurückbehaltungsbetrag und Verbesserungsaufwand eine Schikane ausschließt. Es ist daher ohne rechtliche Relevanz, wenn hier der Großteil der Mängel allgemeine Teile des Gebäudes und nur ein geringerer Teil das Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten betrifft.

In diesem Fall wurde es darüber hinaus als gerechtfertigt erachtet, dass der Beklagte wegen eines bereits gescheiterten Verbesserungsversuchs durch bloßes Überspachteln und Übermalen von Rissen einen späteren gleichartigen Versuch verweigerte. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden, erscheint es doch zweckmäßig, die Mängelbehebung erst nach Klärung der notwendigen Behebungsmaßnahmen zuzulassen.

Dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts stehen aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger auch dann (allein) Ansprüche zu, wenn die Mängel nicht (nur) sein eigenes Wohnungseigentumsobjekt, sondern allgemeine Teile des Hauses betreffen. Nach ständiger Rechtsprechung können einzelne Wohnungseigentümer solche Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche auch ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer geltend machen (5 Ob 40/18w; 2 Ob 34/21w2 Rz 26; RS0082907).

4 Ob 225/23a – COVID-19: Mietzinsentfall aufgrund eingeschränkter Nutzbarkeit eines Swingerclubs

Das Mietobjekt ist im Vertrag als „Saunabetrieb mit Gastgewerbe, Solarium, Massage und Fitnessstudio“ bezeichnet, tatsächlich wird im Objekt seit Mietbeginn mit Wissen und Zustimmung der Vermieter ein Swingerclub betrieben. Der dem Vertrag zugrundeliegende Geschäftszweck ist die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten zur Pflege zwischenmenschlicher (sexueller) Kontakte; das Unternehmenskonzept eines Swingerclubs sind zwischenmenschliche Nähe, Körperkontakt und ein freizügiges sexuelles Miteinander; die Verabreichung von Speisen und Getränken ist kein vorrangiger oder selbstständiger Geschäftszweck.

Zu den in § 1104 ABGB ausdrücklich genannten Elementarereignissen gehört die „Seuche“; COVID-19 ist ein solcher Fall. Aus diesem Elementarereignis resultierende hoheitliche Eingriffe wie Betretungsverbote für bestimmte Geschäftslokale hatten zur Folge, dass diese Objekte „gar nicht gebraucht oder benutzt werden“ konnten (RS0133812). Wenn die in Bestand genommene Sache wegen eines außerordentlichen Zufalls gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist nach § 1104 ABGB kein Mietzins zu entrichten. Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstücks, so wird ihm gemäß § 1105 ABGB ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen.

Ausgehend vom vereinbarten Vertragszweck ist bei lebensnaher Betrachtung im Zeitraum ab 12. 12. 2021 bis 4. 3. 2022 auch ohne verordneten Mindestabstand die Nutzung des Bestandobjekts in einem Kernbereich der Anbahnung und Ausübung ungezwungener – privater und nicht kommerzieller – sexueller Begegnungen Fremder auch durch die Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken nicht möglich gewesen.

Außerstreitiges Recht

5 Ob 128/23v – Zum Antrag auf Erhöhung des Hauptmietzinses nach § 18a Abs 1 MRG

Wird die Erhöhung der Hauptmietzinse nach § 18 Abs 1 MRG vor der Durchführung einer Erhaltungsarbeit begehrt, so hat das Gericht auf Antrag zunächst dem Grunde nach zu entscheiden, ob und inwieweit die bestimmt bezeichnete Erhaltungsarbeit die Erhöhung der Hauptmietzinse rechtfertigt und innerhalb welchen Zeitraums, der zehn Jahre nicht übersteigen darf, die dafür erforderlichen Kosten aus den Hauptmietzinsen zu decken sind (§ 18a Abs 1 MRG). Verpflichtet sich der Vermieter, die in dieser Grundsatzentscheidung genannten Erhaltungsarbeiten innerhalb einer angemessenen Frist in Angriff zu nehmen und durchzuführen, so kann das Gericht auf Antrag aussprechen, dass eine vorläufige Erhöhung des Hauptmietzinses zulässig ist (§ 18a Abs 2 MRG). Die endgültige Erhöhung der Hauptmietzinse erfolgt dann mit Sachbeschluss gemäß §§ 18, 19 Abs 1 MRG (RS0070025).

Erhaltungsarbeiten, für welche eine Erhöhung des Hauptmietzinses gemäß § 18 MRG begehrt werden kann, sind jene in § 3 Abs 2 MRG taxativ angeführten Arbeiten, für welche eine gesetzlich normierte Erhaltungspflicht des Vermieters besteht (5 Ob 105/91). Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG ist ein Mangel im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest einer Schadensgeneigtheit (5 Ob 145/22t; RS0114109 [T8, T10]; RS0069944 [T11]; RS0116998 [T1, T3]). Die Erneuerung ist dann noch Erhaltungsarbeit, wenn die Reparatur nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht mehr vertretbar ist und die damit einhergehende Anhebung auf den ortsüblichen und technischen Standard dem sonstigen Erhaltungszustand des Hauses entspricht (5 Ob 145/22t; RS0069971). Bei notwendigem Ersatz ist daher eine Anpassung an Entwicklungen der Bautechnik und zeitgemäße Wohnkultur vorzunehmen (5 Ob 145/22t; RS0069944 [T3]).

Eine Förderung ist bei der Berechnung des Deckungserfordernisses zu berücksichtigen, auch wenn deren Bewilligung zum Zeitpunkt der Grundsatzentscheidung oder der Entscheidung über die vorläufige Erhöhung der Hauptmietzinse nach § 18a MRG noch nicht vorliegt (5 Ob 6/15s). Auszugehen ist dabei davon, dass der Vermieter zur Fremdfinanzierung eines sonst nicht gedeckten Erhaltungsaufwands die günstigste ihm zumutbare Variante wählen muss, er sich daher auch um eine mögliche Förderung aus öffentlichen Mitteln zu bemühen hat (5 Ob 64/91; 5 Ob 6/15s; RS0070224). Aus diesem Grund ist bei der Berechnung des Deckungserfordernisses – auch bei einer vorläufigen Erhöhung der Hauptmietzinse – auf Förderungsmittel grundsätzlich Bedacht zu nehmen. Bei der Errechnung des monatlichen Deckungserfordernisses ist die Annuitätenkomponente zur Finanzierung des eigenen Erhaltungsaufwands mit jenem Betrag anzusetzen, der bei widmungsgemäßem Einsatz der Förderungsmittel tatsächlich aufzubringen ist (5 Ob 64/91; 5 Ob 6/15s; RS0070224 [T1]).

5 Ob 131/23k – Zu wesentlichen und unwesentlichen Veränderungen eines Mietgegenstands

Die Antragsgegnerin, eine als Verein organisierte Theatergruppe, war aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrags berechtigt, auf der Liegenschaft Freilichttheateraufführungen durchzuführen. Im Bereich eines Vorplatzes wurde durch sie ein Dach errichtet. In einem Vorverfahren beantragte die Antragsgegnerin, die vom Antragsteller verweigerte Zustimmung zur Errichtung dieses Dachs (bezeichnet als Erweiterung des Überbaus im Kassabereich) gerichtlich zu ersetzen. Gemäß der dazu ergangen Entscheidung war das ursprünglich errichtete Dach samt den Stehern von dem Vermieter nicht zu dulden und somit zu entfernen.

Die Antragsgegnerin entfernte daraufhin das Vordach samt den Holzstehern, die dazugehörigen vier Schraubfundamente beließ sie hingegen im Boden und brachte darauf Holzsäulen an, die mit an Karabinern befestigten Seilen verbunden sind, um dadurch ein Leitsystem für Besucher zu schaffen. Bei diesen Fundamenten handelt es sich um Metallrohre. Beton wurde zur Befestigung dieser Schraubfundamente nicht verwendet. Die Schraubfundamente sind von einem Gemisch aus Erde, Steinen und Ziegelbruch umgeben.

Der Antragsteller begehrte in diesem Verfahren nunmehr, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die im Zug der Erweiterung des Überbaus im Kassabereich auf der Liegenschaft errichteten „vier Stützenschuhe samt darunter befindlichem Einzelfundament“ zu entfernen.

Gegenstand der spruchgemäßen Entscheidung im Vorverfahren war nach dem Verständnis des Rekursgerichts lediglich die Frage, ob der Antragsteller das ursprünglich errichtete Dach samt den Stehern zu dulden habe, nicht jedoch die Frage der Pflicht zur Duldung der Schraubfundamente. Betreffend die Schraubfundamente lag somit keine rechtskräftige Entscheidung mit Bindungswirkung vor.

Der Mieter, der eigenmächtig Veränderungen an dem Bestandsgegenstand vornimmt, ist nicht schutzwürdig. Er hat daher grundsätzlich den früheren Zustand wiederherzustellen, wenn dies der Vermieter verlangt. Dieser aus dem Eigentumsrecht ableitbare Entfernungs- bzw Wiederherstellungsanspruch (§ 523 ABGB) besteht, solange die Eigenmacht andauert, also bei Maßgabe des § 9 Abs 1 MRG bis zum Vorliegen einer wenigstens zu fingierenden Zustimmung des Vermieters oder bis zur Feststellung, dass der Vermieter die Änderung zu dulden hat, weil die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1 bis 7 MRG gegeben sind (5 Ob 179/00k; RS0113970).

Nach § 9 Abs 1 MRG hat der Mieter eine von ihm beabsichtigte Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstands dem Vermieter nur dann anzuzeigen, wenn diese wesentlich ist. Unwesentliche Veränderungen sind nicht zustimmungsbedürftig und sogar ohne Befassung des Vermieters erlaubt (RS0069659 [T2]). Insoweit besteht also kein Entfernungs- oder Wiederherstellungsbegehren des Vermieters. Unwesentlich sind (nur) solche Veränderungen des Bestandgegenstands, die so geringfügig, unerheblich und leicht zu beseitigen sind, dass schutzwürdige Interessen des Vermieters nicht berührt werden. Ob eine Veränderung iSd § 9 MRG wesentlich oder unwesentlich ist, konkretisiert die Verkehrsauffassung (5 Ob 223/17f; RS0069659).

Das Rekursgericht vertritt die Ansicht, dass die Anbringung von Schraubfundamenten, die lediglich von einem Gemisch aus Erde, Stein und Ziegelbruch, nicht aber Beton umgeben sind, mangels fixer Verankerung im Boden keine wesentliche Veränderung des Bestandgegenstands ist. Aus dem Umstand, dass der als eine wesentliche Veränderung mangels Zustimmung des Vermieters zu beseitigende Überbau, unter Verwendung dieser Fundamente errichtet worden war, ist keine Verpflichtung zur Entfernung auch dieser Fundamente abzuleiten, wenn es für diese Veränderung nach § 9 Abs 1 MRG mangels Wesentlichkeit keiner Zustimmung bedarf.

5 Ob 10/24t – Selbstverwaltung einer WEG

Im Fall der vom Gesetz als Normalfall angesehenen Selbstverwaltung, also der gemeinsamen Verwaltung durch alle Teilhaber, werden, wenn einzelne Wohnungseigentümer nur bestimmte Ausschnitte von Verwaltungstätigkeiten wahrnehmen, diese dadurch nicht zu „Verwaltern“ im Sinn der §§ 19 f WEG und daher von den entsprechenden Verwalterpflichten des WEG in der Regel nicht erfasst.

Die Durchsetzung eines auf die Abrechnungspflicht iSd §§ 20 Abs 3, 34 WEG gestützten Anspruchs auf Rechnungslegung gegen einen die Verwaltungstätigkeit bloß faktisch ausübenden Mit‑ und Wohnungseigentümer oder Dritten hat, wenn nicht ohnehin ein Verwalter bestellt ist, analog § 52 Abs 1 Z 6 WEG auf dem außerstreitigen Rechtsweg zu erfolgen.

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, Juni 2024

WMWP Rechtsanwälte GmbH